Bei ernsthaften Gesundheitsproblemen und grösseren Eingriffen wie z.B. einer Operation, einer Chemotherapie oder einer Bestrahlung sollten Sie sich selber möglichst umfassend über die Erkrankung und die verschiedenen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten informieren. Fast bei jeder Erkrankung gibt es mehrere Behandlungsoptionen und nicht selten gehen auch die Meinungen von Fachleuten darüber, was in einer bestimmten Situation die «richtige Therapie» ist, auseinander. Deshalb ist es für PatientInnen, die vor einer folgenreichen Therapie-Entscheidung stehen, oft sinnvoll, eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen.
Grundsätzlich ist eine ärztliche Zweitmeinung bei einer geplanten Operation, einer Bestrahlung oder einer Behandlung mit starken Medikamenten mit deutlichen Nebenwirkungen oder erheblichen Risiken sinnvoll. Die Zweitmeinung soll Ihnen Sicherheit und Vertrauen geben und Ihnen helfen, die beste Entscheidung zu treffen.
Es gibt medizinische Probleme, bei denen weitgehend klar ist, was zu tun ist. Bei zahlreichen Erkrankungen oder Gruppen von Erkrankungen bestehen jedoch regelmässig Unsicherheiten über die sinnvollste Therapie. Zudem gibt es Operationen oder Therapiemethoden, die an sich umstritten sind. Einen Anhaltspunkt finden sie auf unserer Seite «Tipps für PatientInnen». Bei solchen, im Fachjargon «unsichere Indikationen» genannten Fällen, ist eine Zweitmeinung oft sinnvoll.
Bei Notfällen und wenn es eilt, kommt eine Zweitmeinung meist nicht in Frage. Jede Zweitmeinung benötigt Zeit und ein Zuwarten mit einer Behandlung bei einer akuten Situation kann die Risiken für Sie erhöhen. Auch bei medizinischen Bagatellen ist das Einholen einer Zweitmeinung unverhältnismässig.
Suchen Sie einen ausgewiesenen Spezialisten für Ihre Erkrankung. Der zweite Arzt sollte viel Erfahrung mit dem Krankheitsbild und dem Eingriff haben. Ausserdem sollte der Zweitmeinungs-Arzt neutral sein. Das ist am ehesten der Fall, wenn er nicht an der Behandlung beteiligt ist und auch nicht an dem Spital / der Klinik angestellt ist, wo der Eingriff möglicherweise durchgeführt wird.
Zudem kann es sinnvoll sein, dass ein Arzt gewählt wird, der an einem anderen Spital / einer anderen Klinik arbeitet oder ausgebildet worden ist. So ist sichergestellt, dass er nicht derselben «Schule» angehört und so wirklich eine andere Sichtweise einbringt.
Der zweite Arzt darf den Patienten gemäss Standesordnung der Schweizer Ärztegesellschaft nicht abwerben. Theoretisch dürfte er die Behandlung übernehmen, wenn das Ihrem unbeeinflussten Wunsch als Patient entspricht. Generell ist es jedoch nicht ratsam, dass der Zweitmeinungsarzt Sie dann schliesslich selber operiert.
Der beste Weg führt hier manchmal über die Krankenkasse (oder Unfallversicherung). Diese haben oftmals Listen mit anerkannten Fachärzten, die grosse Erfahrung mit dem Eingriff haben. Unter Umständen kann Ihnen auch der erstbehandelnde Arzt jemanden empfehlen. Jedoch sollte es sich um eine wirklich unabhängige Person handeln. Weitere mögliche Vermittler sind medizinische Fachgesellschaften, Patienten-Beratungsstellen oder Ärzte-Netzwerke.
Diese Situation kann durchaus auftreten. Bedenken Sie: Jede Entscheidung hat in der Regel Vor- und Nachteile. Diese können in Risiken, Heilungschancen aber auch in der zeitlichen Perspektive (zeitlicher Aufwand, Behandlungsdauer usw.) liegen. Nur Sie können letztlich diese Vor- und Nachteile abwägen und dementsprechend entscheiden. Das kann Ihnen niemand abnehmen. Das Ziel ist, dass Sie in Ihrem Entscheidungsprozess sicherer werden.
Informieren Sie Ihren (ersten) Arzt offen darüber, dass Sie eine Zweitmeinung wünschen. Das ist eine häufige und normale Situation und kein guter Arzt wird Ihnen das übel nehmen. Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, Ihnen oder dem Zweitmeinungs-Arzt alle relevanten Dokumente der Krankengeschichte auszuhändigen (Befunde, Bilder usw.). Das ist wichtig, damit der zweite Arzt Ihre gesundheitliche Situation ohne erneute Untersuchungen beurteilen kann.
Für einen ersten Schritt, eine erste grobe Orientierung oder in einfacheren Fällen kann eine Zweitmeinung via Telefon oder Internet eingeholt werden. Hier bieten sich auch Dienste wie Medgate oder Medi24 an. Bei komplizierteren Situationen braucht es aber einen persönlichen Besuch beim Arzt.
Es lohnt sich, im Zweifelsfall vorher mit der Krankenkasse (oder bei einem Unfall mit der Unfallversicherung) Kontakt aufzunehmen. Die Kassen haben in der Regel ein grosses Interesse an Zweitmeinungen, da sie erwiesenermassen zu einer Verringerung von wenig sinnvollen Operationen führen und damit auch helfen, Kosten einzusparen. Deshalb gibt es auch Versicherungsmodelle, die das Einholen einer Zweitmeinung in gewissen Situationen verbindlich vorschreiben. Viele Krankenkassen stellen ausführliche Informationen zum Thema Zweitmeinung auf ihren Webseiten zur Verfügung.
Krankenkassen unterstützen begreiflicherweise keinen «Arzttourismus». Wenn es sich um eine Bagatelle handelt, die Situation ohnehin klar ist oder schon viele Ärzte involviert sind, wird sie eventuell keine zusätzliche Abklärung mehr bezahlen. Gehen Erst- und Zeitmeinung aber auffällig auseinander und Sie sind dadurch eher verwirrt als besser aufgeklärt, rechtfertigt sich allenfalls durchaus eine Drittmeinung. Bitte klären Sie auch hier vorher die Kostenübernahme.